Abstrakt gedacht - Vom Motiv zur Akteurin

von Tiziana Bonetti

Zürich - Den Auftakt bilden sieben grossformatige C-Prints von Kyra Tabea Balderer (*1984). Die an einem von der Künstlerin konstruierten Gerüst gehangten Aufnahmen zeigen vor abstraktem Hintergrund undefinierbare Objekte. Werktitel wie <Apparat> verweisen auf Gegenständliches. Tatsächlich verwendet Balderer alltägliche Objekte, die sie in Bronze giesst und danach analog ablichtet. Alleine durch lichttechnische Effekte und die Wahl des gezeigten Ausschnitts erscheint das Ausgangsmaterial so entfremdet, dass es sich als solches nicht mehr zu erkennen gibt.

Anders als Balderer, die nichts dem Zufall überlässt, geht Shannon Zwicker (*1992) fur ihre kleinformatigen Aquarelle eher intuitiv vor: Scheinbar ohne Zutun der Künstlerin zerfliessen Lasuren von Farbe ineinander, Linien schlängeln sich in Bogen Ober die Malflache. Kontrastreich in der Farbigkeit, scheinen die Bilder zu pulsieren. An der Wand Ober einem Regal hängend, in dem Hailers Bozzetti liegen, erhalten auch Zwickers Aquarelle den Charakter von Studien. Obwohl die abstrakten Arbeiten keinem direkten Abbild verpflichtet sind, zeugen Werktitel wie <Lick me> von einem Interesse an der Erkundung körperlichen Begehrens. Verweise auf körperliche Zustände sucht man in den beiden auf dem Boden gezeigten Arbeiten <Any which way is up> von Clare Goodwin (*1973) hingegen vergeblich. Die monochrom oder zweifarbig bemalten Keramikplatten stehen mit ihrem motivisch gegenstandslosen Charakter in Opposition zu Hailers Gipsskulpturen wie der <Tänzerin>, denen sie eine Art Bühne bilden.

Clare Goodwin, Kyra Tabea Balderer und Hermann Haller, Ausstellungsansicht Atelier Hermann Haller, 2022

Wie eine geometrische Figur wirkt auf den ersten Blick Sonia Kacems (*1985) <Prototype 2>. Die in ihrer filigranen Statur schwebend leicht wirkende Plastik aus Holz und Metall auf der Galerie des Ateliers lasst an ein Korsett denken; ein Kostüm, das Frauen noch zu Hailers Zeit trugen. Dem eher rationalen Ansatz Goodwins und Kacems gegenüber stehen die drei gezeigten grossformatigen Malereien Sabine Schlatters (*1977): Ihren Bildern, in denen abstrakte, scheinbar strahlende Gebilde vor wolkenartigen Hintergründen zu sehen sind, haftet etwas Esoterisches an.

Frauenfiguren waren das beliebteste Motiv von Hermann Haller (1880-1950). Die derzeitige Schau im ehemaligen Atelier des Künstlers setzt sich provokativ von seinem Interesse an der klassischen Figuration ab: Die fünf gezeigten, abstrakten zeitgenössischen Positionen treten im Dialog mit Haller den Beweis an, dass Frauen nicht nur in Bronze gegossen eine gute Figur machen, sondern auch dann, wenn sie eigene Kunst schaffen.

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