Imaginäres Gedächtnis

Kassel/Wiesbaden

Der Künstler Slawomir Elsner widmet sich zwei Grundsubstanzen der Malerei: nämlich der Farbe und dem Licht. Und das „mit einer überzeugenden konzeptuellen Klarheit und einer souveränen künstlerischen Technik“. Das sagt Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden.

Dort stellt Elsner zurzeit als Träger des Otto-Ritschl-Preises aus. Die Schau „Präzision und Unschärfe“ ist laut Museum mit fast 50 Werken Elsners „erste umfassende museale Einzelausstellung“. Der Ritschl-Preis erinnert an den 1976 in Wiesbaden gestorbenen Künstler, der, 1885 in Erfurt geboren, sich lange eher als Romancier und Dramatiker verstanden hatte, ehe er zu einem wichtigen Vertreter der abstrakten Nachkriegsmalerei wurde – mit einem „Spätwerk, das in der neueren Geschichte der deutschen Malerei seinesgleichen nicht hat“, wie der Kritiker Peter Iden urteilt. 1955 und 1959 war Ritschl auf der documenta vertreten.

Aus der Serie „Windows On The World“: Die Farbstiftzeichnungen entstanden nach Fotografien Elsners im Frühjahr 2002 im New Yorker World Trade Center, kurz vor der Zerstörung der Twin Towers.

Nach Vermeer: Detail von Slawomir Elsners „Das Mädchen mit dem Perlenohrring (Mädchen mit Turban)“ aus der Sammlung Dr. Claar. FOTOS: SEBASTIAN SCHOBBERT/DIRK UEBELE

Der mit 15 000 Euro dotierte Otto-Ritschl-Preis wird „im Abstand von maximal fünf Jahren vergeben“, wie es auf der Website des Museumsvereins Ritschl heißt. Verliehen wurde er seit 2001 bislang erst vier Mal: an Gotthard Graubner, Ulrich Erben, an den in Kassel lebenden Kazuo Katase sowie an Katharina Grosse. Und jetzt an Slawomir Elsner.

Der 1976 im oberschlesischen Wodzislaw Slaski (Loslau) geborene Elsner hat eine enge Verbindung zu Kassel: Er hat hier die Kunsthochschule absolviert; zuletzt war er Meisterschüler von Norbert Radermacher. Elsner hat in Kunstverein im Fridericianum ebenso ausgestellt wie im Kulturbahnhof, in der Galerie Coucou waren seine Arbeiten mehrmals zu sehen. Eines der populärsten Bilder aus der Wiesbadener Schau hing bei Coucou neben Werken von Bildhauer Stephan Balkenhol: Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“, das er jetzt in zwei Neufassungen präsentiert.

Das Besondere an Elsners akribischem Schaffen ist zum einen, dass er zwei eher nachrangige Medien – Buntstifte und Aquarelle – schätzt. Zum anderen ist sein Umgang mit dem kollektiven kulturellen Gedächtnis ungewöhnlich, wie er es in Wiesbaden auch mit Werken der Sammlung von Alexej von Jawlenskys, Carl Spitzweg und Otto Muellers praktiziert: Elsner überträgt malerische Aspekte Alter und Neuer Meister in das Medium der Zeichnung. In seiner Serie des „imaginären Gedächtnisses“ legt er kurze Linien zu immer dichteren Farbgeflechten übereinander, die die Erinnerung der Betrachter sofort mit der berühmten Vorlage verknüpft.

Ein Beispiel der Serie „Just Watercolors“ (Ausschnitt).

Wasserfarben benutzt Elsner in unzähligen monochromen oder mehrfarbigen Schichten für abstrakte Großformate voller Leuchtkraft, die er „Just Watercolors“ nennt. Kuratorin Lea Schäfer erläutert Elsners Prinzip so: „Lichtquellen, im Bild eingewoben, bringen dieses von innen heraus zum Leuchten.“

Bis 6. März, Katalog (DCV Verlag)

26 Euro, museum-wiesbaden.de

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