Benedikte Bjerre

van Johanna Encrantz

Zürich - «Born to shop» scheint unser gegenwärtiges Schicksal zu sein, aber dazu müssen wir erst einmal liefern. In der Ausstellung van Benedikte Bjerre bei Lullin + Ferrari sind die Begriffe Tempo, Reproduktion und physische Warenstrome zentral und zugleich Erklärungshilfen. Sieben in Aluminium gegossene, silberne Rohren-Dreiecke (<Labor>) bilden den Auftakt der Ausstellung. Man fragt sich, an was die am Boden liegenden Formen erinnern, und ja, liest man den Titel der Ausstellung <Who delivers>, sind es den Einheitspaketen des Lieferdienstes Fed ex nachempfundene Objekte. Die dänische Künstlerin Benedikte Bjerre (*1987), welche zunächst ein Soziologiestudium abgeschlossen hatte, beginnt hier mit einem ersten Gedankengang: Das neue Lieferdienst-Prekariat unserer Gesellschaft ist dafür zuständig, die Paketstrome am Laufen zu halten. Aber nicht nur die Lieferant:innen, die in urbanen Zentren mit Veles, Trittfahrern und in Minivans ihre Ware verteilen, sind in einer global organisierten Wirtschaftsstruktur, gemäss dem Begleittext zur Ausstellung, gezwungen, in irgendeiner Form zu «liefern». Sei es, um karrieremassig voranzukommen, seine Kinder zu versorgen oder einfach nur, um ein Leben zu haben. Den Begriff der «Warenstrome» verbildlicht Bjerre auch in gebrauchten Windeln ( <Done Thing>) und platziert diese auf einem Pelicase, dem handelsüblichen Warenkoffer fur schweres Gerat, unter anderem fur den Transport van Waffen.

Die lebensphilosophische Einsicht, dass wir in unserer kapitalistischen Geschäftigkeit angesichts der grossen Zusammenhänge im Universum klein und unbedeutend werden, zeigt Bjerre mit goldenen Brotscheiben am Himmel ( <Starry nights>). Mit der Technik des direkten Gusses profaner Brat- und Toastscheiben in Bronzemetall transformiert sie Vergängliches in Beständiges. Wie leuchtende Sterne schimmern die van Bjerre an der Decke und den Galeriewänden verteilten Brote Ober uns. Die Objekte lassen verschiedene Interpretationen zu: Der Kommentar der Künstlerin zur aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation ist offensichtlich, und die Zitate ihrer Arbeiten stammen aus verschiedenen Kontexten. Nicht zuletzt in Anlehnung an Walter Benjamins Aufsatz Ober das <Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit> van 1936 bezeichnet Bjerre eine nach unten geöffnete Fedex-Verpackung als <Reproduktion>. Gut vorstellbar, hier van der Schachtel einen Bezug zum menschlichen Körper herzustellen, denn Bjerre durchlebte wahrend den Vorbereitungen zur Schau eine Schwangerschaft, und die offene Kartonschachtel ware ein Uterus, aus dem die Ware - das Kind - gefallen ist. Yup, delivered! Parallel zu Bjerres minimalistisch anmutender Installation würdigen die Galeristen im Nebenraum mit einer kleinen, bunten Retrospektive Klodin Erb, Trägerin des diesjährigen Prix Meret Oppenheim.

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Gespräch zwischen Klodin Erb und Sandi Paucic über die Ausstellung im Helen Dahm Museum, Oetwil am See (Copy)

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Abstrakt gedacht - Vom Motiv zur Akteurin