Jamie Isenstein – Home Theater
27. Oktober – 22. Dezember 2023
Wir freuen uns, Jamie Isenstein’s erste Einzelausstellung bei Lullin + Ferrari mit dem Titel Home Theater zu präsentieren, in der sie sich mit der Thematik der Performanz zuhause auseinandersetzt.
„Don’t fall off the horse“ mit diesem ironischen Kommentar verabschiedete sich Jamie Isenstein (*1975 in Portland OR, USA) am ersten Tag ihrer Ankunft in Zürich von unserer Mitarbeiterin Anna Konstantinova, die am nächsten Tag eine Reitstunde in Angriff nahm. Diese Gratwanderung nicht vom Pferd zu fallen, ist ein wichtiges Merkmal von Jamie Isenstein’s Kunst. In ihren filigranen Aquarellen, Installationen und Plastiken, die sie durch ihre Performances belebt, schwingt immer ein genauer, humorvoller und kritischer Blick auf die Welt mit. Die amerikanische Künstlerin beobachtet skeptisch, die sie umgebende Realität und übersetzt ihre Betrachtungen in künstlerische Arbeiten. Es sind diese leichten Verschiebungen und Interpretationen der sie umgebenden Lebenswelt, die ihre Kunst bestimmen.
In ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie nimmt sich Jamie Isenstein unter anderem der Thematik der Performanz zuhause an. Sie untersucht den Prozess, private Räume öffentlich zu machen. Dies ist eine Strategie der Immobilienbranche, ein Haus für den Verkauf zu "inszenieren". Um die Verkaufschancen zu erhöhen, werden Wohnräume möbliert und hergerichtet, so dass eine einladende, wohnliche Atmosphäre entsteht: Vasen werden kunstvoll arrangiert, Zitronen in einer Schale gestapelt und Bücher aufgelegt. Die Idee, ein Zuhause zu "inszenieren", besteht darin, ein erstrebenswertes Modell zu schaffen, damit Käufer und Käuferinnen sich vorstellen können, ein glücklicheres Leben im Haus zu führen. Für die Ausstellung hat Jamie Isenstein The Home Theater geschaffen, eine Kommode mit typischen inszenierten Objekten, die in Puppen verwandelt wurden. Ab und zu verschwindet Jamie Isenstein, oder ein Double in der Kommode und lässt die Puppen, respektive fünf Utensilien, unter anderem eine Kleenex-Box, einen Lampenschirm und ein Bücherstapel zu einer eigens für deren Auftritt von ihrem Partner Paul Damian Hogan komponierten Musik tanzen. Die Musik erklingt aus einer in der Kommode integrierten nicht sichtbaren Musikbox.
The Home Theater wird ergänzt von sechs Stillleben mit Objekten, die tatsächlich in inszenierten Immobilien, die zum Verkauf stehen, gefunden wurden. Auf den ersten Blick wirken die Stillleben ein wenig nüchtern, besonders wenn sie einzeln betrachtet werden. Die Stillleben nehmen in ihrer Darstellung stilistische Eigenheiten der neuen Sachlichkeit auf. Objekte, die zur Aufwertung einer Immobilie benutzt werden, sind oft sehr allgemein gehalten, um die größtmögliche Anzahl potenzieller Käufer und Käuferinnen anzusprechen. Die Aquarelle ähneln traditionellen Stillleben, nehmen jedoch eine tiefere Bedeutung an, wenn man ihren Hintergrund in Betracht zieht. Schaut man sie alle zusammen an, fällt ihre Gleichförmigkeit merkwürdig auf. Wenn die Darstellungen in den Aquarellen mit den Objekten auf der Kommode in Zusammenhang gebracht werden, erhalten die Motive in den Aquarellen eine performative Qualität. Drei Wanduhren mit Zeigern, die in zwei Augen und einen Mund enden, sind das Publikum für die Performance. Die Uhren wechseln Emotionen, während sie ticken, und verstärken die surrealistische Stimmung im Raum.
Im zweiten Ausstellungsraum hängen zwei Ölmalereien im Querformat. Erkennbar ist ein Wäschekorb neben einem grünen Plastikschuh und ein Büchergestell. Diese Bilder sind als humorvolle Hintergründe für Videogespräche gedacht. Sie sind lediglich an der Wand mit Haken befestigt und können somit leicht ausgetauscht werden. Diese analogen Hintergründe verwandeln das Homeoffice buchstäblich in eine Bühne und die Work-from-home-Arbeiter in Darsteller. Eine Videoarbeit vervollständigt die Ausstellung von Jamie Isenstein. Auf zwei Monitoren sind Studierende der Universität von Tennessee, Chattanooga zu sehen, die sich gegenseitig mit Gähnen anstecken. Diese verblüffende Arbeit strahlt in den Raum aus und ist von der Strasse aus sichtbar, wodurch sowohl Besucher und Besucherinnen als auch Passanten draussen gähnen, so entsteht eine Verbindung zwischen der realen Welt und der virtuellen Welt. Diese Verbindungen zeigen die tiefe Menschlichkeit in Jamie Isensteins Kunst und ihre wunderbare Beobachtungsgabe.