Eleni Gkinosati – New Paintings

13. September – 26. Oktober 2024

Diesen Herbst zeigt die Galerie Lullin + Ferrari neue Bilder von Eleni Gkinosati. Sie entstanden von Februar bis Ende Juli während einer Artist’s Residence in St. Moritz und wurden im August vor Ort in der Galerie in Zürich fertiggestellt. Gkinosatis Werke entwickeln sich innerhalb einer grossflächigen Leinwand, auf der sie weite Gesten macht. Das Ergebnis ist mal ein Reigen der Bewegung, mal ein Stillstand, manchmal im Einklang mit einer reduzierten Palette, mal eine Gruppe von Blöcken in kontrastierenden Farben.

 

Ohne Titel, 2024, Öl auf Leinwand, 217 x 352 cm

 

Gkinosati ist als abstrakte Malerin bekannt, doch als sie im Engadin ankam und dort das Winterlicht erlebte, schuf sie mehrere kleinere Werke, in denen, ausgeprägter als in anderen früheren Arbeiten, Formen umrissen und definiert sind. Diese Formen sind zwar nicht leicht zu entziffern, besitzen aber einen ausgeprägten Sinn für Volumen. Eine zentrale Arbeit in der Ausstellung bei Lullin + Ferrari ist ein dreieinhalb Meter breites Gemälde, das im zweiten Galerieraum gezeigt wird und die Essenz ihrer Arbeiten aus dem Frühjahr und Sommer zusammenfasst. Dieses Werk, dessen Motiv für die Einladungskarte verwendet wurde, veranschaulicht das Auf und Ab, das Hinein- und Herausgehen aus der Objekthaftigkeit, das sie beschäftigt. Während einige undefinierbare, aber nichtsdestotrotz klar umrissene Dinge – Organe, Asteroiden? – auftauchen, sind andere Gesten an die Flächigkeit der Leinwand gebunden. Einige Lichter erzeugen Tiefe und andere werden in die Dynamik des flachen Bildes hineingezogen.

Ohne Titel, 2024, Öl auf Leinwand, 185 x 194 cm

 

Gkinosatis Arbeitsumgebung ausserhalb des Ateliers steht in einer osmotischen Beziehung zu ihrer Malerei; die von Engadiner Schatten geprägten Umrisse in einer Schwarz-Weiss-Saison sind ein Beispiel dafür, während die jüngsten, in Zürich entstandenen Werke mehr Sprayfarben und urbane Bewegung aufweisen. Ein lokaler Einfluss durchdringt alle ihre Bilder, auch wenn dieser sich nicht direkt in identifizierbaren Zeichen manifestiert. Wenn die Werke jedoch als Landkarten gelesen werden sollen, dann sind es zerebrale Landkarten. Jedes Gemälde beginnt mit losen Markierungen, gefolgt von einem ausgedehnten Prozess der Beobachtung der Leinwand, unterbrochen von kurzen und intensiven Perioden des weiteren Markierens. Die Künstlerin ist auf der Suche nach dem Bild, das im Entstehen begriffen ist: Ihre Augen tasten die Oberfläche ab, ihr Gehirn sucht nach der Form, ihre Hände, die vom Gehirn geleitet werden, zeichnen das Werk. Es ist ein nicht-sprachlicher und intuitiver Prozess, der sich auf ihr Wissen über die Malerei und das langjährige künstlerische Muskelgedächtnis ihrer Hände stützt, und doch bleibt es eine bewusste und durchdachte Methode.

Ohne Titel, 2024, Öl auf Jute, 130 x 130 cm

In gewissem Sinne gibt es nie eine leere Leinwand, denn die Künstlerin und die Betrachterinnen und Betrachter bringen ihre Erfahrungen und visuellen Erinnerungen in das Werk ein, noch bevor sie kunstgeschichtliche Bezüge berücksichtigen. (Wenn es einen einfachen kunsthistorischen Vergleich mit Gkinosatis Werk gibt, dann wäre es der mit den Abstrakten Expressionisten; während formale Parallelen zu finden sind, ist die vorherrschende Idee dieser Bewegung, heroische Kunst zu schaffen, um mit der Tradition zu brechen, weniger hilfreich). Hier und jetzt hat das Auge, das mit dem Gehirn kommuniziert, damit wir uns in der Welt zurechtfinden können, gelernt, das Gesehene zu lesen und zu sortieren. Wir reagieren auf Farbe, Kontrast, Bewegung, Stimmung und Rhythmus. Gkinosatis Kunstfertigkeit besteht darin, dass sie sowohl intuitive als auch bewusste Mittel einsetzt, um Gemälde zu schaffen, die das Auge des Betrachters und der Betrachterin fesseln und beschäftigen, während sie uns nur selten klare Erzählungen anbieten. Obwohl die Werke in einer Galerie mit weißen Wänden ausgestellt sind, werden die Bilder von dem beeinflusst, was die Betrachterin und der Betrachter aus der Außenwelt mitbringen. Die Resonanz dieses Wissens prägt diese Bilder: Während wir von der anschaulichen Dynamik bewegt werden, suggerieren Rosa und Rot immer noch eine fleischliche Entblößung oder Zerbrechlichkeit, Tropfen deuten auf ein Nachlassen der Kontrolle hin, gesprühte Zeichen verweisen auf ein kantigeres urbanes Umfeld.

Ohne Titel, 2024, Öl auf Leintuch, 180 x 150 cm

Ohne Titel, 2024, Öl auf Jute, 130 x 130 cm

Ohne Titel, 2024, Öl auf Leinwand, 206 x 350 cm

Kehren wir zu dem grossen Werk im zweiten Raum zurück. Monde oder Trümmer werden in der Umlaufbahn einer Galaxie gehalten, oder ist dies eine Momentaufnahme einer gewaltigen Explosion? Auf jeden Fall sind die Körper in der Schwebe. In der unteren Mitte ist eine gelbe Fläche zu sehen, die wie ein Sonnenfleck aussieht, und darüber ein sich schlängelnder Pinselstrich – hier war die Hand der Künstlerin. Weiter rechts umreißt eine weiße Linie rosafarbene Öffnungen und schlängelt sich wie ein ausgestreckter Arm zum Rand der Leinwand, wo das Geschehen lockerer, rauer und weniger deutlich ist. Das Gemälde ist all dies und noch viel mehr, was der Blick, der darüber tanzt, entdecken kann.

Text von Aoife Rosenmeyer

Eleni Gkinosati (*1990, Athen, Griechenland) lebt und arbeitet in Athen. Nachdem Eleni Gkinosati eine klassische Malereiausbildung an der Kunstschule in Athen absolviert hatte, schloss sie ihre Studien mit einem Master’s degree an der Kingston University London ab. Ihre Arbeit wurde in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt, alleine im Jahr 2024 bei Bombon und Prats Nogueras Blanchard in der Antiga Farinera in Corçà (Empordà, Spanien), Galerie Krinzinger (Wien), Apalazzo Gallery (Brescia) und Luis Adelantado (Valencia).