Franziska Furter - Tretminen im Aquarium

Die ortsspezifische Installation beginnt bereits im schmalen Treppenhaus: Ein Hauch von Türkis strahlt über die Betonsicht­wand und lenkt den Schritt und die Neugierde in den Laborraum des Bündner Kunstmuseum Chur. <Making Waves>von Franziska Furter wirft disparate Wellen.

Chur - Atelieraufenthalte an unterschiedlichen Orten seien für ihr künstlerisches Schaffen wegweisend, betont Franziska Furter (*1972). Die künstlerischen Entschei­dungen und die Stimmung im Laborraum des Bündner Kunstmuseums hat die in Basel lebende Künstlerin aus ihrer dreimonatigen Residency in der Fundaziun Nairs im Unterengadin im Sommer 2022 gefiltert. Ein vorgängig zurecht gelegtes Konzept musste sie zwar Ober den Haufen werfen und vor Ort in Chur die einzelnen Raumele­mente neu ausrichten. «Meine Arbeiten entstehen stets in Prozessen, die ich nicht vorhersehen kann. » In vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Zufall sitzt <Ma­king Waves> nun umso präziser. 

Ihr Atelier in Scuol befand sich im ehemaligen Heizungsraum der Bäderanlagen mit Sicht auf den Inn. Der aufmerksame Blick der Künstlerin labte sich an den zwi­schen Braungrau bis Sonnenturkis wechselnden Flussfarben. Da entdeckte sie auf dem schmalen Band zwischen Hauswand und Wasser Nester von Nageln und ande­ren Metallteilen - möglicherweise Oberreste von für die Erwärmung des Badwassers genutzten alten Brettern. Sie haben Rost und Ablagerungen zugelegt, verklumpten. Die Kunstlerin hat sie nun mittels Magnetkugeln zu <Small Fires> arrangiert und in Chur auf dem Terrazzoboden des Laborraums gruppiert. Eigentlich wollte sie sie wie kleine Wesen auf die Beine stellen, wie in ihrer Ausstellung bei Lullin + Ferrari in Zürich. Nun liegen sie auf dem Rücken und strecken die Glieder von sich. Kleine Feuer gegen den Frost? Zusammen mit den feinen, von Furter eigenhändig aufgezogenen silbernen Glasperlen-Schnüren eroffnen sie ein weites Assoziationsfeld, von in Fi­schernetzen verhedderten Seeigeln Ober tote Spinnen vor zerstorten Spinnweben bis zu von den Fluten des Hochwassers angespülten Tretminen. Oder ist alles einfach ein grosses Aquarium in der Zahnarztpraxis? 

Die Ambivalenz der Raumerfahrung ist der Künstlerin wichtig, und sie spiegelt sich im Titel. <Making Waves> ist aber auch eine Referenz an Nancy Holt. Die US-ame­rikanische Land-Art-Künstlerin und Poetin halt in einer 1972 entstandenen gleichna­migen Zeichnung, die an grafische Darstellungen wissenschaftlicher Auswertungen erinnert, die Präsenz ihrer drei lchs im Verlauf eines Tages fest, das künstlerische, das feministische, das mystische. Die Leseart der Glasperlen-installation <Atoms of Delight> erweitert sich zu Fieber-, Erfolgs- oder Wasserstandkurven. Ursula Badrutt

von Ursula Badrutt, Kunstbulletin 11/23

<Franziska Furter- Making Waves>, Bündner Kunstmuseum Chur, bis 26.11.

buender-kunstmuseum.ch

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